Er beschreibt sich selbst als "tabufreundlich, heftig und deftig"! Die Comedy-Legende Ingo Appelt ist wieder auf Tour mit seinem neuen Programm "Startschuss" und macht Halt in Mainz.
Wir haben mit Comedian Ingo Appelt über seine neue Tour gesprochen und ihn gefragt, wie das Publikum derzeit drauf ist und wie er mit Hass umgeht.
Über Appelts neues Programm "Startschuss"
SWR1: War es schwer, für Ihre Tour ein satirisches Comedy-Programm auf die Bühne zu stellen in Zeiten, in denen Bürgermeister angefeindet und angegriffen werden?
Ingo Appelt: Ehrlich gesagt, gar nicht so. Ich habe das Gefühl jetzt gerade in der Pandemie schon gekriegt, deswegen heißt das Programm auch so, gerade nach der Pandemie: Jetzt muss es wieder nach vorne gehen. Und was ich mache, ist im Prinzip eine Art mentale Aggressionstherapie. Ich frage auch erstmal die Leute, wie sie es gerne hätten, eher ein bisschen heftig oder politisch korrekt. Und es kommt eigentlich immer "heftig".
Ich habe das Problem erkannt, dass die Leute einfach mies drauf sind, genervt. Ich sage, wir haben überall Irrsinn. Aber bevor ihr Sanitäter angreift, bevor ihr Polizisten erschießt, staucht mich zusammen. Das dürfen sie [...] und dann geht's den Leuten besser. Das ist meine Aufgabe als Comedian momentan.
SWR1: Sie sind also quasi der lebendige Box-Sack?
Appelt: So was in der Art, der Watschenjunge, dem man einfach mal eine reinhauen kann, zumindest verbal. Ich habe das Gefühl, die Leute sind total aufgekratzt, sehr genervt und aggressiv. Ich habe das Gefühl, ich fange wieder an wie 1992. Da ging es ja auch ums Tabubrechen, dann hat sich das in den 90er Jahren wieder beruhigt, und jetzt kippt das gerade wieder: Das darfst du nicht sagen, das darfst du nicht machen.
Es geht unheimlich weit auseinander. Auf der einen Seite diese Wokeness und auf der anderen Seite das rechtsradikale oder die Forderung nach einem Kalifat. Es ist alles irre geworden, damit beschäftige ich mich.
Appelt spricht kontroverse Themen an
SWR1: Sie sprechen diese kontroversen Themen oft an. 2012 standen Sie sogar im Visier von Al-Qaida. Wie gehen Sie persönlich mit Hass um?
Appelt: Mich ärgert das auch, dass so etwas passiert. Aber das war nicht so schlimm. Ich weiß, dass es Kollegen gibt, die erheblich harmloser sind als ich, die viel mehr unter Morddrohungen, Beleidigungen, Kränkungen, also mit diesem ganzen Shitstorm zu tun haben, gerade die Leute, die jetzt viel im Internet machen. Das ist eine Hassmaschinerie und das ist genau das Problem.
Wir reden zu viel miteinander, nicht zu wenig. Wir verstehen zu gut. Ich verstehe nämlich alles, was da steht. Wenn man sich so ein altes Ehepaar anguckt, wenn die seit 50 Jahren zusammen sind, die reden gar nicht mehr miteinander, um die Beziehung nicht zu gefährden. Das heißt, da reichen leichte Zeichen: Er pupst, sie weiß, er hat Hunger. (lacht)
Lachen gegen Hass, Wut und Angst
SWR1: Hilft Lachen auch gegen die derzeitige Nachrichtenlage?
Appelt: Auf jeden Fall. Das Problem ist ja, dass uns momentan alle Nachrichten Angst machen. Alles macht irgendwie irre, verunsichert. Und dieses Lachen, Comedy, damit nehme ich den Leuten wirklich den Hass, die Wut und auch die Angst wird in dem Moment weggenommen. Die Leute gehen besser gelaunt aus der Vorstellung heraus, als sie reingekommen sind, und das ist viel wert.
SWR1: Worüber lachen Sie persönlich im Alltag gerne?
Appelt: Ich lache einfach gerne über Menschen, was die so für einen Mist bauen. Wir sind ja die dümmste Spezies, die auf diesem Planeten rumläuft und ich nehme mich da gar nicht raus.
Ich habe so das Gefühl, dass da vor allen Dingen weltweit die beleidigten Männer unterwegs sind, [...] deswegen hast du doch Radikalisierung in allen Bereichen. Es sind vor allen Dingen Männer. Und die stehen immer da und sagen, "das muss alles wieder so werden wie früher" und "wir lassen es uns nicht bieten" und wandern in den Krieg. Das ist grausam. Aber was will man von dauerbrünstigen Vollidioten erwarten?
Das ist ja das Problem, was wir haben. Wir Männer sind ja in einer ständigen Brunft, wir sind in ständigem Konkurrenzverhalten, wir sind ständig irgendwie drauf und dran alles kaputtzuhauen — Hauptsache, wir sind die besten. Das ist das, was mich momentan so zum Lachen bringt, wenn ich solche Männer sehe. Ich finde die alle ziemlich peinlich, aber mich selbst halt auch.
Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Steffi Stronczyk.